Als vor einigen Jahren der Künstler Thomas Jessen die
Kapelle des erzbischöflichen Sozialinstituts Kommende in Dortmund neu gestalten
sollte, hatte ich die schöne Möglichkeit, an der Planung des künstlerischen Programms
mitzuwirken. Und dieses Programm ist wirklich ungewöhnlich: Wie Steine eines Mosaiks
sind an der Decke Bildtafeln mit den Gesichtern von 51 verschiedenen Heiligen
angebracht. Jeder ist anders und jedes Gesicht spiegelt ein ganzes unverwechselbares
Leben, denn der Künstler hat keine Idealgesichter oder Phantasiegemälde gestaltet. Es gibt in der Kapelle nur authentische Porträts von Heiligen,
von den neueren nach Fotografien gemalt, von den älteren nach Totenmasken oder
frühen Zeichnungen. In jedes Gesicht hat das Leben seine Spuren eingegraben, in
jedem sind Schmerz und Leid, Freude und Hoffnung zurückgeblieben. Kein Gesicht
gleicht dem anderen, jedes ist anders.

Was ist ein Heiliger? – Die
Gestaltung der Kapelle gibt eine interessante Antwort: All die verschiedenen
Gesichter bilden wie ein kleiner Mosaikstein Gott selbst in der Welt ab. Keiner
darf fehlen. Jeder ist unverkäufliches Original. Alle verbindet das Bemühen, Gottes
Liebe in der Welt und unter den Menschen zum Leuchten zu bringen. Jeder anders,
nach eigenen Grenzen und Fähigkeiten. Die Heiligen bilden in unerschöpflicher
Fülle das große Mosaik Gottes, das noch lange nicht abgeschlossen ist. Und wir?
Wir gehören dazu. Jeder Mensch ist ein Gesicht Gottes. Das bedeutet auch die
Gemeinschaft der Heiligen: die von der Kirche als Heilige verehrten Menschen,
unsere Verstorbenen und wir selbst auf dem Weg zur Gemeinschaft mit Gott. Diese
Gesichter Gottes machen uns Mut, aus ihrem Vorbild können wir Kraft schöpfen.
Sie rufen uns zu: Du bist nicht allein! Und noch mehr: Du bist ein unersetzbarer
Mosaikstein Gottes! Bring dich zum Leuchten! Und lass andere leuchten! Gott
braucht dich und will durch dich in dieser Welt aufstrahlen! – An der Decke der
Kapelle ist noch Platz genug. Für jeden von uns.